KONZERTE / VORTRÄGE 

 

 

 

« Mit wass freüden soll man singen »  

 

 

Neben der Herausgabe dieser einmaligen Liederhandschrift aus dem frühen 18. Jahrhundert war es uns immer ein Anliegen, die barocken Lieder wieder zum Leben zu erwecken.

In kommentierten Konzertprogrammen mit verschiedenen Ensembles zeigten wir in den Jahren 1996 - 2004 einen Querschnitt durch den reichen Liederschatz der Brogerin.

Presseberichte (PDF)


 

Pressestimmen:

«lump, du hudi hudi lump!»

Lieder aus der Sammlung von Maria Josepha Barbara Brogerin in Bühler

Vor zwei Jahren ist das Liederbüchlein im Druck erschienen. Am Freitagabend sangen und spielten die beiden Herausgeber Urs Klauser und Joe Manser zusammen mit der Sängerin Felicia Kraft eine Reihe Lieder vor der Lesegesellschaft Bühler.

Als 1996 das Liederbuch «Mit was freüden soll man singen» in der Transkription des Primarlehrers, Musikers und Instrumentenbauers Urs Klauser und des Innerrhoder Sekundarlehrers und Musikers Joe Manser im Druck erschien, bedeutete das eine kleineSensation. Aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind nur wenige Liedersammlungen erhalten geblieben, in denen Texte und Noten festgehalten sind.

Schwierige Editionsarbeit

Während Joe Manser, der dasBüchlein 1992 im Archivmaterial seines Vaters Johann Manser-Gmünder in einer Abschriftkopie entdeckt hatte, sich mit dem musikalischen Teil beschäftigte, übernahm Urs Klauser die Transkription der Texte, «als völligerAutodidakt», wie er in der Lesegesellschaft Bühler betonte, der zunächst einmal lernen musste, die kunstvolle barocke Schrift zu lesen. Auch die eigenwillige Rechtschreibung und die zahlreichen Dialektausdrücke, von denen manche längst nicht mehr gebraucht werden, erschwerten die Umsetzung der Texte. Einfacher zu lesen war die bemerkenswert saubere Notenschrift; Schwierigkeiten boten hier vor allem fehlende Vorzeichen und andere Ungenauigkeiten beim Abschreiben. Die Besitzerin der spätestens 1730 entstandenen und auf dieses Jahr datierten Liedersammlung gibt sich zwar in einem handschriftlichen Eintrag als Maria Josepha Barbara Brogerin aus Gonten zu erkennen, und in den Taufbüchern der Pfarrei sind die Herausgeber auch auf eine 1699 geborene Frau dieses Namens gestossen, die bis 1735 oder 1741 gelebt hat. Im Kloster Maria derEngel in Appenzell ist zudem eine Ordensschwester gleichen Namens verzeichnet, die nach ihren Lebensdaten ebenfalls in Frage käme, obwohl die thematische Streuung der Lieder weniger auf klösterliche Herkunft hindeutet. Von beiden Frauen aber ist weiter nichts bekannt, und es steht nicht einmal mit letzterSicherheit fest, dass Besitzerin und Schreiberin (oder Schreiber) der Sammlung identisch sind.

Breites Spektrum

Die Bedeutung der Sammlung schmälern diese Unsicherheiten nicht. Mehr als die Hälfte der 60 Lieder sind bis heute einzig aus diesem Liederbuch bekannt, nur acht Melodien sind mit kleinen Abweichungen auch in andern Quellen belegt. Und bemerkenswert ist auch das inhaltliche Spektrum. Neben religiösen und Kirchenliedern - etwa die Hälfte aller Gesänge - finden sich Tanz-und Liebeslieder, Trink-, Scherz-, Spott- und Streitlieder, ein Jahreszeitenlied, Jagd- und zeitkritische Lieder - sogar ein Totentanz.

Zeitgenössische Instrumente

Abwechselnd begleitet von Sackpfeifen und Cister, Spinett und Geige sowie dem Tambourin interpretierten Urs Klauser, Joe Manser und die Schulmusikerin Felicia Kraft eine grössere Zahl von Liedern, darunter mit besonderem Vergnügen das Streitlied «Wo her mein man?» - zwischen dem aus dem Wirtshaus kommenden Mann und seiner ihn aufgebracht erwartenden Frau. Dem refrainartigen «lump, du hudi hudi lump!», Kosenamen wie «luederhanns» oder «foller zapf», dem ebenfalls regelmässig wiederkehrenden «Du bist voll wein» oder dem angeekelten «Du bist sternvoll» seinerGattin bleibt der späte Heimkehrer zwar einiges, aber doch nicht alles schuldig, wenn er sie als «klaperganns» bezeichnet, ihr droht, «ich gib dir ein klapff» oder wegwerfend meint «Lär nur dein Kropff». Ein Totentanz mit ständigem Wechsel von Dur und Moll stand als Beispiel für ein Lied, das in gleichartiger Form auch im Vorarlbergischen und im Bündnerland belegt ist, während das von Klauser und Manser vorgetragene Streitlied zwischen einem Schwaben und einem Schweizer bereits eine Frucht der seit Erscheinen des Liederbuches weitergeführten Archiv- und Quellenforschung von Albrecht Tunger ist. Im Liederbuch sind nur zwölf Schwabenstrophen erhalten; die antwortenden Teile des Schweizers fand Tunger in einer andern Handschrift, und es gelang ihm auch, die dazugehörige Melodie zu rekonstruieren. In dieser Form erklang es auch am Liederabend in Bühler.

Peter E. Schaufelberger

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Konzert im Schweizerischen Landesmuseum 2002


«Jetz wöllen wir gehen trinckhen eins»

Liederbüchlein der Maria Josepha Barbara Brogerin aus dem 18. Jahrhundert vorgestellt

Die Kronengesellschaft Trogen hat am Freitag im «Sand» einen Abend mit Volksliedern aus dem frühen 18. Jahrhundert organisiert. Das Publikum kam dabei in den Genuss herrlicher Naturstimmen und von Wohlklang aus alten Instrumenten.

Am Anfang führte der Zufall Regie, bei einer Geschichte, die ebenso interessant wie zauberhaft ist und bei der auch noch lange nicht alle Geheimnisse gelüftet sind. Eine Geschichte, die an dem Tag beginnt, als Joe Manser aus Appenzell im Nachlass seines Vaters Johann Manser die Kopie eines Büchleins fand, in dem 60 Lieder mit Melodie und Text handschriftlich festgehalten sind. Der letzte Liedeintrag steht unter dem Titel: «Kue reien» und verrät, dass es sich hier um einheimisches Liedgut handeln muss. Später wird sich herausstellen, dass diese Niederschrift des durchgehend textierten Kuhreihen die älteste bisher gefundene Version darstellt. Wem das Büchlein gehörte, ist dem Besitzeintrag auf der letzten Seite zu entnehmen, der besagt: «Dieses Büchlein gehört der schch: Maria Josepha Barbara Brogerin, wer es nach meinem todt bekombt, bit vor mich Gott zue biten. 1730.»

Forschen und Suchen

Je intensiver sich Joe Manser mit der Liedersammlung beschäftigte, desto stärker wurde sein Wunsch, mehr darüber zu erfahren. Als dann die Fachwelt seinen Fund als besonders wertvoll und wichtig bezeichnete und er in Urs Klauser, Bühler, einen kompetenten und ebenso begeisterten Mitstreiter fand, waren sich die beiden einig, die Liedersammlung der Maria Josepha Barbara Brogerin in Buchform herausgeben. Und zwar so aufbereitet und durch ausführliche Erklärungen, Anmerkungen und Hinweise transparent gemacht, dass Musik und Texte von jedermann verstanden und umgesetzt werden können. Als Helfer und Ratgeber stand ihnen Albrecht Tunger, Trogen, zur Seite. Der Vollblutmusiker und sichere Kenner hiesiger Volksmusik, stellte sich bald als erfolgreicher Detektiv heraus, der allem, was fehlte nachging, Lücken schloss und unleserlichen oder fehlenden Partien auf den Grund ging. Als sich im Laufe der Ermittlungen herausstellte, dass Maria Josepha Barbara Brogerin eine Ordensfrau war, die im Kapuzinerinnenkloster zu Appenzell lebte, wurde die Geschichte noch spannender und auch geheimnisvoll. Denn die Sammlung enthält zwar kirchliche, besinnliche Lieder, stark vertreten sind jedoch auch Klage-, zeit- und gesellschaftskritische Gesänge sowie Lieder zur Geselligkeit, Scherz-, Trink-, Liebes- und Spottlieder, wobei die Texte zum Teil ausgesprochen derb sind.

Harmonisches Quartett

Von der Kraft dieser Lieder und Texte erfüllt war dann auch der Freitagabend, in dessen Mittelpunkt diese Musik aus dem frühen 18. Jahrhundert stand, dargebracht durch Interpreten, die sie in allen bunten Nuancen und Facetten umsetzten. Lieder, die zu kleinen, fröhlichen Singspielen wurden. Durch Felicia Kraft, Stein am Rhein (Gesang, Percussion), und Joe Manser, Appenzell (Cembalo, Geige, Gesang), die wiederholt als perfekt streitendes Ehepaar mit ihren ausgebildeten und doch naturbelassenen Stimmen aufeinander losgingen und dabei recht grosszügig Kosenamen wie Lump, Ochsenkopf und Schwein austeilten. Instrumentale Unterstützung bekam das streitbare Paar durch Urs Klauser, Bühler (Sackpfeife - kleinere Ausgabe des Dudelsack - und Cister), sowie von Albrecht Tunger am Cembalo. Die vier Musiker überzeugten locker und frei als ein harmonisches Quartett, das mit grossem musikalischem Einfühlungsvermögen auch die etwas stilleren Weisen zu Ehren Gottes und Marias zum Erklingen brachte.

Das Liederbüchlein der Maria Josepha Barbara Brogerin 1730 ist unter dem Titel: «Mit wass freüden soll man singen» erschienen und kann über den Buchhandel bezogen werden.

Elisabeth von Hospenthal

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Die Brogerin war eine Klosterfrau

Liederbuch aus dem 18. Jahrhundert: Kostproben live gespielt und gesungen im Roothuus Gonten

Dass ein musikalisch sehr angenehmer Abend zu erwarten war, wussten die rund 50 Besucher am Freitagabend im Roothuus Gonten. Es wurde aber mehr: Sie hörten nicht nur überzeugende Kostproben aus dem Liederbuch der Maria Josepha Barbara Broger, sie erfuhren auch historisch Neues. Das Wichtigste: Die Urheberin des Büchleins war Klosterfrau.

Im prächtig bemalten Saal des «Roothuus» in Gonten - er bestand um das Jahr 1730, als die Brogerin an ihrem Liederbuch arbeitete, schon lange Zeit, und es ist mehr als nur theoretisch möglich, dass auch sie schon einmal an diesem Ort dieselben Lieder gesungen hat - boten die Musiker Joe Manser, Appenzell, Urs Klauser, Bühler, Albrecht Tunger, Trogen, und die Sängerin Felicia Kraft aus Stein am Rhein mit ihren Instrumenten Geige, Spinett, Sackpfeife und Tambourin einen sinnlich nachvollziehbaren Einblick in die Volksmusik der drallen, prallen Barockzeit. Geladen hatte die Interessengemeinschaft «Roothuus», nicht zuletzt auch, um die schönen Räume all jenen, die sie noch nicht kennen, im besten Lichte zu präsentieren.

Volle Gläser und Totenlied

Das frühe 18. Jahrhundert war eine lebensfrohe Zeit: «Lieber brueder schenckh mir ein, dass glesslein, dass muess föller sein», sang Felicia Kraft mit ihrer beeindruckenden, angenehmen Stimme im weinseligen Lied, das uneingeschränkt den Freuden des Trinkens gewidmet ist. Doch ein paar Lieder später war auch in schwarzem Kontrast die Mahnung zu hören: «Auf, auf, mein mensch, mach dich bereit.» Denn mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben, das wussten die Menschen im Mittelalter, sie wussten es auch zur Barockzeit noch sehr genau, und wenn es die modernen Menschen zu vergessen glauben, wird es ihnen in der Regel durch eine Katastrophe wieder schockartig in Erinnerung gerufen: «Dem g'sunden nit versprochen ist, lenger zu leben.» Nach dem grüblerischen Tief, kommt aber immer umso höher und umso lachender und spöttischer das nächste Hoch, ganz einfach die pure Lust am Leben: «Mit was freüden soll man singen.» Um dann wieder in die Melancholie zu münden: «Falsche verlogne/listig betrogne, gentzlich verkehrte politische welt», wo «schmeychlerey» herrscht statt «trey» und überhaupt die Lüge mehr zählt als die Wahrheit.

Ehekrach, melodisch

Viele Texte sind dem Alltag entnommen: «Du bist voll wein, ey so spath, lump, hudihudilump, du bist voll wein», keift das Weib den Gatten an, der etwas torkelnd nach Hause gefunden hat, was zudem schönen Dialog führt: «Du luderhanss», «du Klapperganss»! Dabei konnten die sich ansingenden Joe Manser und Felicia Kraft beweisen, dass sei nicht nur über gute Stimmen verfügen, sondern auch schauspielerisch etwas drauf haben, was natürlich mit Applaus und Gelächter honoriert wurde. Ein typisches Volkslied-Motiv bildete auch der Kuckucksgesang «O falscher gugu» oder der Zweigesang über faule, nichtsnützige Fremde «Der Schwab» oder das wortspielerische «Von dem Schneider»: «da frassen ihrer neün mahl neüne/neün und Neüntzig neüne, ein halben muckenbauch.»

Belehrend und religiös

Von den 60 Liedern gibt es einige belehrende und immerhin 20 von ihnen sind religiösen Inhalts, von denen die Musiker «Maria zum Schnee» vortrugen: eine Bitte um Beistand für uns, die Armen. Die Liedervorträge wurden immer wieder unterbrochen für Erläuterungen über das Liederbuch. «Je mehr wir uns mit dem Büchlein beschäftigt haben, desto faszinierter waren wir darüber, was hier alles zum Vorschein gekommen ist», erklärte Urs Klauser. Er und Joe Manser haben sich in den zuerst fast unleserlichen Stoff vertieft, sie haben ihn transkribiert in moderne Schrift und 1996 dann unter dem Titel «Mit was Freüden soll man singen» über diesen Glücksfund aus einer - gerade was die Musik angeht - doch noch sehr unbekannten Zeit den Band 5 der Innerrhoder Schriften herausgegeben, ergänzt mit einer CD, auf denen eine Auswahl der Lieder vorgespielt wurde.

Neue Erkenntnisse

Geschichtsforschung ist eigentlich nie zu Ende. Und so haben weitere Forschungen, besonders auch von Albrecht Tunger, überraschend Neues zu Tage gebracht. Vor allem steht heute fest, dass Maria Josepha Barbara Broger aus recht wohlhabendem Haus in der Rapisau stammte, bereits mit 18 Jahren als Franziskanerin ins Kloster St.Maria der Engel in Appenzell eintrat und über 70 Jahre alt wurde.

Und neue Fragen

In den Aufzeichnungen des Klosters ist über diese hochtalentierte Frau erstaunlich wenig zu finden. Deshalb werfen die neuen Erkenntnisse viele neue Fragen auf. Woher hat die Brogerin ihre Bildung? Vermutlich wohl im Kloster erworben. Weshalb wurde das Liederbüchlein in Privatbesitz aufgefunden und wie kommt es, dass eine Klosterfrau Urheberin eines Musikwerkes wurde, das nebst Religiösem auch Weltliches sehr offen und kraftvoll behandelt? Zumindest bis keine wesentlichen neuen Quellen auftauchen, bleibt vieles Spekulation. Und diese Erklärungsversuche können nur dann einigermassen zutreffend sein, wenn man dem Umfeld gerecht wird. Denn die Barockzeit war nicht wie unsere Zeit: Frömmigkeit schloss Lebensfreuden keineswegs aus, alles war vielleicht etwas krasser: die Trauer im Tief und das Jauchzen im Hoch. Ganz so wie der kontrastierende Inhalt des Liederbüchleins der Brogerin: prall voller Leben.

toni dörig

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Kontakt:

 

Joe Manser-Sutter, Brestenburg 6, CH-9050 Appenzell / Tel. ++41(0)71 787 38 75 - joe.manser (at) bluewin.ch

 


 

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